Die bauphysikalische und bautechnische Umsetzung der Sanierungsmaßnahme ist dabei ohne aufwändige und kostenintensive Anpassung der bestehenden Gebäudestatik realisiert worden. Das Gebäude wurde weitgehend entkernt, um die ursprüngliche Struktur wieder herzustellen. Lediglich einige nicht tragende Innenwände sind im Zuge einer behutsamen Neuaufteilung des Grundrisses entfernt worden. Während der bestehende Kiosk im Gartengeschoss modernisiert wird, entstehen im Erdgeschoss zwei neue hochwertige Gewerbeeinheiten. Die darüber liegenden drei Geschosse sowie das Dachgeschoss sind dem Wohnen vorbehalten. Pro Geschoss sind jeweils zwei großzügige 3-Zimmer Mietwohnungen angeordnet mit einer Größe von 94 bzw. 114 Quadratmetern. Über den Zugang Oranienstraße garantiert ein im Bereich des Treppenhauses nachträglich eingebauter Aufzug Barrierefreiheit.
Energetisches Konzept
Das energetische Gesamtkonzept basiert auf einer effizienten Kombination unterschiedlicher Einzelkomponenten und spiegelt zugleich den wirtschaftlichen Aspekt einer Sanierungsmaßnahme wider - das sinnvolle Abwägen zwischen Aufwand und Wirkung. Das Gebäude ist Teil einer Blockrandbebauung mit reichlich geschmückter Fassade, die unter Denkmalschutz steht. Die Außenwand weist eine Dicke von 40 bis 50 cm auf. Die nachträgliche Wärmedämmung beschränkt sich entsprechend den baulichen Gegebenheiten im Inneren auf eine punktuelle Nachrüstung im Bereich der Fensternischen und des Kniestockes im Dachgeschoss. Realisiert ist eine Innendämmung in Trockenbautechnologie mit der Knauf Vorsatzschale W62. Die Dämmung der Kellerdecke von unten sowie die Dämmung des Daches und der Einbau neuer Fenster mit einem ug-Wert von 1,2 W/m²K erweisen sich für den Wärmeschutz des Gebäudes als besonders wirkungsvoll. Ingesamt wird durch diese Maßnahmen sowie durch die Erneuerung der Heizanlage der Primärenergiebedarf des Gebäudes von 150 kWh/(m²a) auf 58 kWh/(m²a) gesenkt. Im Hinblick auf die innerstädtische Lage an zwei stark frequentierten Straßen sind Fenster mit einer Schallschutzklasse 4 gewählt.
Besonderen Wert haben Bauherr Stefan Ebling und Architekt Klaus W. Thomas auf ein effizientes und komfortables Heizkonzept gelegt. Neben dem Einbau einer neuen Gas-Brennwerttherme mit einer Leistung von 60 kW senkt eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinn die Lüftungswärmeverluste und sorgt für einen niedrigen Heizwärmebedarf. „Die mechanische Be- und Entlüftung bietet einen weiteren Vorteil. Die Fenster können geschlossen bleiben, so dass ein ruhiges Wohnen gewährleistet ist. Ein Aspekt, der natürlich greift, wenn das Gebäude an zwei stark befahrenen Straßen steht“, ergänzt Architekt Klaus W. Thomas.
Das Heizsystem des Jugendstilhauses ist komplett als Flächenheizung ausgelegt, realisiert ist eine Fußbodenheizung, die im Sommer zur Kühlung eingesetzt wird. „Im Gegensatz zu den üblichen Heizkörpern erzeugt eine Flächenheizung mehr Strahlungs- als Konvektionswärme. Diese wird von Menschen als angenehmer empfunden, ist baubiologisch sowie hygienisch und vor allem energetisch deutlich vorteilhafter als eine Heizung mit üblichen Heizkörpern. Bei einer Flächenheizung kann zudem die Raumtemperatur um 2-3°C gesenkt werden, da der menschliche Körper die Strahlungswärme sofort wahrnimmt“, erläutert Stefan Ebling, der sich für das Renovierungssystem Minitec von Uponor entschieden hat. Die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung ist auf 47 Grad Celsius ausgelegt.
Optimale Basis
Als Voraussetzung für die sichere Verlegung der Flächenheizung und -kühlung gilt ein ebener, tragfähiger Untergrund nach DIN 18560. Die Holzbalkendecken in Wiesbaden wiesen jedoch starke Verformungen auf - bis zu 12 cm Höhendifferenz wurden innerhalb einer Wohnung ermittelt. Nach Ausbau der alten Beläge - zum Teil mussten drei bis vier Schichten abgetragen werden, bis der Unterboden frei lag - zeigten sich Untergründe wie Holzdielen und Beton. Dort, wo der alte Dielenbelag morsch war, wurden OSB-Platten verlegt. Die Deckenkonstruktion selbst - Holzbalken 20/24 im Achsabstand von 35 verlegt - zeigte sich nach Überprüfung durch das Ingenieurbüro Maurer als nur begrenzt belastbar. Die statische Berechnung der Tragfähigkeit ergab, dass der neue Fußbodenaufbau ein zulässiges Gewicht von 50 kg/m² nicht überschreiten darf. Der heterogene Aufbau der Unterkonstruktion sowie der erforderliche Ausgleich von Unebenheiten und Gefälle der Bodenfläche stellte daher einen besonderen Aspekt der Planung und Ausführung dar. Vor allem die nur bedingt tragfähigen Holzbalkendecken setzten bei der Materialwahl vielen herkömmlichen Systemen eine Grenze. „Die ursprüngliche Planung, den Ausgleich mit herkömmlichen Schüttungen durchzuführen, mussten wir ändern“, erinnert sich Architekt Klaus W. Thomas.
Nach einer ausführlichen technischen Beratung vor Ort mit Manfred Müller von Knauf und Klaus Rusitschka von Uponor entschied er zusammen mit dem Bauherrn folgenden Bodenaufbau:
- Ausgleich der Unebenheiten mit Knauf EPO-Leicht, Schichtdicke von 15 mm bis 120 mm
- Kratzspachtelung mit Knauf Nivellierestrich 425, Schichtdicke 3-5 mm
- Grundierung mit Knauf Estrichgrund
- Fußbodenheizung: Renovierungssystem Minitec, Aufbauhöhe ca. 10 mm
- Knauf Nivellierestrich 425, Dicke 20 mm
- Oberbelag Parkett
EPO-Leicht eignet sich aufgrund der wasserfreien Herstellung besonders zum Ausgleich von Holzbalkendecken. Der schnell abbindende und früh begehbare Ausgleichsmörtel wird aus den Komponenten Knauf EPO-Perl, einem Blähgranulat, und der Knauf FE-Imprägnierung, einem 2K-Epoxidharz, direkt an der Baustelle gemischt. EPO-Leicht weist sowohl ein geringes Gewicht als auch eine gute Wärmedämmeigenschaft auf: Die Rohdichte beträgt ca. 0,2 kg/l, die Wärmeleitfähigkeit liegt bei 0,07 W/mK.
In Wiesbaden hat die ausführende Estrichfirma Edwin Stein aus Becherbach eine effektive Möglichkeit für den Ausgleich extremer Höhenunterschiede umgesetzt. Vor dem Einbringen des Ausgleichmörtels hat der Verleger dem Nivellement entsprechend Unterputzschienen am Boden ausgerichtet. Anschließend wurde schrittweise die Ausgleichsmasse auf dem Untergrund verteilt. „Die Unterputzschienen ermöglichten uns ein schnelles und genaues Abziehen mit der Richtlatte“, erklärt Geschäftsführer Dag Stein-Herzberger. Bereits 24 Stunden nach dem Einbringen war die Ausgleichsmasse begehbar, so dass die Spachtelarbeiten mit Knauf Nivellierestrich 425 ohne Zeitverlust beginnen konnten. Die Spachtelung schließt offene Poren des Ausgleichmörtels. Anschließend erfolgt eine Grundierung mit Knauf Estrichgrund, als Voraussetzung für einen festen Verbund zwischen Untergrund und Fußbodenheizsystem.
Heizsystem mit Bodenhaftung
Das Renovierungssystem Minitec besteht aus begehbaren Folienelementen, die eine Klebeschicht auf der Rückseite aufweisen. Die rund einen Zentimeter hohen Elemente haben eine Noppenstruktur, in die das Heizrohr (PE-XA Rohr 9,9 x 1,1 mm) verlegt wird. „Die selbstklebenden Folienelemente bieten den Vorteil, dass während der Montage ein fester Verbund zwischen Untergrund und System erreicht wird. Auch die flexible Rohrverlegung in 90° und 45° und die Anpassungsfähigkeit des Systems an alle Raumgeometrien haben sich an der Baustelle bewährt“, erklärt Stefan Ebling. Besonders die geringe Höhe, die kurzen Aufheizzeiten sowie die flinke Regelung des Renovierungssystems Minitec Systems hatten ihn überzeugt. „Jede Wohnung hat ihren eigenen Verteiler und verfügt über eine funkgesteuerte Einzelraumregelung, mit der auch im Sommer die Kühlfunktion der Flächenheizung individuell regelbar ist.“
Nach Montage der Fußbodenheizung wurde als Ausgleichschicht ebenfalls Knauf Nivellierestrich 425 eingebracht, der als Calciumsulfat-Fließestrich praktisch schwindfrei abbindet. Der selbstnivellierende Verbundestrich, der sich direkt durch die Strukturierung der Folie mit dem vorbehandelten Untergrund verbindet, hat eine Schichtdicke von 20 mm und wurde maschinell eingebracht. „Drei Mann haben innerhalb von zwei Tagen rund 975 m² verlegt“, lautet die Auskunft von Dag Stein-Herzberger. Nach einer Trockenzeit von 3 Tagen konnten die Nachfolgegewerke beginnen. Die Verlegung von Parkettbelägen war sofort nach den Aufheizen der Fläche möglich.